Für zwei Minuten ist alles finster. Meine Augen gewöhnen sich nur langsam an die Dunkelheit. Das einzige Licht, das in den Raum fällt, kommt durch ein längliches schmales Fenster, auf dem ein Mann mit Turban und Gebetsbuch sitzt. Er ist in ein Buch vertieft. Langsam erkenne ich viele, weiße Flecken am Boden. Sie sehen aus, wie Bettlaken. Gehäufte Bettlaken, die man nach dem Abziehen der Kissen und Bezüge auf den Boden schmeißt. Doch diese Haufen bewegen sich. „Sie warten auf die Messe“, erklärt Haile. Das weiß seiner Augen leuchtet so hell wie die Kleidung der Frauen, die zusammengekauert auf dem Boden sitzen, in weiße Tücher gehüllt.
So wie es gefühlte hundert beste Currywurstbuden in Berlin gibt, so werden auch hunderte Orte als 8.Weltwunder deklariert. Lalibela in Äthiopien gehört dazu. In einer 18 000 Einwohnerstadt im Norden liegt ein Schatz unter der Erde, in Stein gemeisselt – die Felsenkirchen von Lalibela in Äthiopien. Wer flüchtig ein Bild sieht, könnte annehmen, dass es sich bei den Kirchen um unspektakuläre Häuser aus Lehm handelt. Doch für Lehmhäuser würden keine 280 000 Menschen jährlich nach Lalibela pilgern. Die Felsenkirchen wurden, wie der Name schon sagt, in Fels gemeisselt, von oben nach unten. Als erstes wurden die Wände der Kirche freigelegt. Danach kamen Fenster und Türen dazu, durch die man die Innenräume aushöhlte. An die 23 Jahre dauert das Aushöhlen einer 12 Quadratmeterkirche. Das beeindruckendste jedoch – alles ist symmetrisch und jede Verzierung und Dekoration wurde von Anfang an geformt und nicht aufgesetzt. Dazu kommt, dass jede plastische Form, die an der Wand nach außen geht, sich im Inneren der Kirche nach Innen wölbt.
„Nur wer von innen schön ist, kann auch von außen schön sein.“
Zu den Frauen auf den Boden gesellen sich Männer in weißen Gewändern. Weiß ist die Farbe der Gläubigen. Jeder, der die Kirchen betritt, trägt mindestens ein weißes Leinentuch. Weiß ist aber auch die Farbe der Priester. Man erkennt sie an der weißen Kopfbedeckung. Die Gläubigen können sich an einem Lebenspunkt entscheiden, welchen Weg sie einschlagen – heiraten und Priester werden oder Mönch und ein Leben im Zölibat. Die Mönche tragen schwarze Mützen und gelbe Gewänder. Manch einer lebt in einer der Löcher, die in die Felsenkirchen gegraben sind.
„Die Frauen und Männer sind schwach.“, erklärt Haile. Seit 18 Stunden haben sie nichts gegessen. Der Gottesdienst, bei dem sie zwei Stunden stehen, wir anstrengend. Dann, ab 15 Uhr dürfen sie drei Stunden Essen, so viel sie wollen. Es ist Fastenzeit in Lalibela Ich verlasse das Gebäude und setze mich auf eine Treppe. Links und rechts umrahmen mich hohe, rote Wände. Es dringt ein leiser Gesang durch das Fenster, in dem immer noch der Mann mit seinem Buch sitzt. Ich könnte stundenlang hier sitzen und ihn anschauen, seine Ruhe aufsaugen und annehmen. Lalibela in Äthiopien war die letzte Station meiner Tour durch Afrika. Wie heißt es so schön, das Beste zum Schluss? Richtig.
Ich kann jetzt die verschiedenen Kirchen aufzählen und beschreiben, doch der unglaubliche Eindruck, wenn man durch Felslöcher kriecht, durch Labyrinthe aus Stein und Höhlen läuft und immer wieder das Spiel von Licht und Schatten auf roten Wänden, dass lässt sich kaum in Worte fassen. Es ist fast ein Skandal, dass jeder die ägyptischen Pyramiden, kaum einer aber die Felsenkirchen von Lalibela. Äthiopien hat mich nicht überrascht, denn ich hatte keine Erwartungen. Es hat mich begeistert und verzaubert.
Ich möchte so gerne die Bilder von Dürren und Hungerkatastrophen ersetzen durch eine atemberaubende Landschaft, jahrtausendealter Geschichte, reiche Kultur und Gesichter voller stolzer Menschen und tiefer Religiosität. Äthiopien ist ein Land, das die Reisenden nie wieder loslassen wird. Wer hier her kommt und nichts fühlt, der ist tot.
Mit freundlicher Unterstützung von Ethiopian Airlines, Paradise Ethiopia Travel/African Dreams und Haile.
28 comments
Das sind schon beeindruckende Bilder aus Äthiopien.
Es war auch wirklich beeindruckend!
Wie weit ging es eigentlich bei dem Bild Christine-Neder-Lalibela nach unten?
Pu, 30 Meter vielleicht? Habe mir ordentlich in die Hose gemacht ;)
Das glaube ich, ich hoffe du hattest eine Windel dabei :-)
Eine Windel?
Ich dachte du hast dir in die Hosen gemacht, war ein Spaß mit der Windel, lassen wir das lieber ;-) . Auf jeden Fall ist der Ort wirklich sehr beeindruckend.
Die Bilder sehen sehr interessant aus…
Würde ich gerne mal sehen.
Du kommst weit rum und musst schon sehr viele Fotos gemacht haben…oder..?
Schöne Grüsse
Uwe
Ja, ich besitze 4 Speicherkarten ;)
4 Speichkarten und eine Externe Festplatte denk ich. Sonst würde ja Dein Rechner gesprengt werden…smile
Die Fotos reichen bestimmt für ein grosses Abenteuerbuch…
Schön von Dir gehört zu haben.
Ich muss wirklich mal anfangen Fotos zu drucken! Irgendwann ist sonst alles weg …
Waaaaaahnsinnig schön!!! ich liebe bilder, die geschichten erzählen und einen mit in eine andere welt nehmen! Ganz, ganz toll! Danke für deine Eindrücke! :)
Danke für das Kompliment!
Wieder mal eine Geschichte, die mein Interesse an Afrika deutlich steigert :) Die auf Deutsch in den Stein gemeißelte Bitte, keinen Blitz zu benutzen, lässt mich darauf schließen, dass relativ viele Touristen in die Felsen kommen. Stimmt das? Denn auf deinen Fotos sieht alles so still, ruhig und abgeschieden aus (wäre ja schön, wenn das so ist). Super schöne Fotos sind das auf jeden Fall!
Es war wirklich ziemlich still, als wir da waren. Ich hoffe ich komme dieses Jahr noch einmal nach Afrika und kann noch mehr Geschichten sammeln ;)
Ich kann mir das ganze gar nicht vorstellen…muss eine höllen arbeit gewesen sein das anzufertigen…
Ui. Endlich mal Fotos, auf denen man die schönheit der Kirchen wirklich spüren kann. Das sind wirklich beeindruckende Fotos! Vor allem das, wo es ganz tief runter geht. *Höhenangst*.
Ich hatte auch richtig Angst ;) Aber was tut man nicht alles für ein schönes Foto ;)
Das bild am bete abba libanos hatte mir nicht gefahlen, da die Kleidung unseren Kirchen schadet am sonster super
Großes Kompliment für den beeindruckenden und berührenden Reisebericht über die Kirchen von Lalibela. Bin aus aktuellem Anlass darauf gestoßen. Meine Patentochter ist grade dort und berichtet ebenfalls total fasziniert davon, was sie da erlebt.
Lieber Gruß aus der CH
Astrid-Maria Sprenger
Man muss es echt erlebt haben! Kann dir nur raten dort auch einmal hinzufahren!
Tolle Bilder! Lalibela ist schon verdammt beeindruckend – wie auch das gesamte Land mit den wahnsinnigen Landschaften, den Menschen, der Kultur und den Tieren (siehe http://docugraphy.wordpress.com/blog/). Du hast Recht: Man kann es jedem nur empfehlen, selbst hinzufahren.