Christine und ich waren schon viel gemeinsam unterwegs, seitdem wir uns vor 5 Jahren bei ihrem Couchsurfing-Experiment kennengelernt haben. Wir haben in Kopenhagen das teuerste Frühstück aller Zeiten genossen. In Island haben wir einen Mietwagen ruiniert und zwei Jahre später wollte Christine dort in Ugg-Boots einen Gletscher besteigen. Wir haben außerdem zwei Sturmfluten in Zelten überlebt und in einer gammeligen Bar in Graz Backhendl gefrühstückt. Außerdem hat sie die ein oder andere Nacht auf meinem Berliner Sofa verbracht, wenn ihre eigene Wohnung gerade von Freunden in Beschlag genommen wurde.
In all der Zeit ist mir vor allem eines aufgefallen: Christine findet immer ganz pragmatische Lösungen. Der Lichtschalter fürs Bad ist unter der Garderobe versteckt und sie findet ihn nicht? Dann wird eben im Dunkeln gepinkelt, geduscht und sich geschminkt. Es regnet ins Zelt? Unter der Isomatte schläft es sich fast genau so gut. Mit Ugg Boots lässt es sich nicht klettern? Dann werden die Füße in viel zu kleine Wanderschuhe gestopft und mit Klebeband vor Blasen geschützt. Christine ist außerdem mit einer irren Beigesterungsfähigkeit gesegnet, die sich oft in einem lauten, schrillen Kreischen manifestiert. Wir sind da wirklich grundverschieden. Ich motze gerne und bin immer perfekt vorbereitet (denke ich, ist aber nicht wahr). Ich freue mich schon auf ein Motz-Rentner-Dasein, in dem alles vorhersehbar ist. Davon abgesehen ist meine emotionale Skala bei “ja, cool” nach oben abgeriegelt. Drüber geht es nur, wenn Pferde im Spiel sind.
Eigentlich ist es ein Wunder, dass wir Freunde sind. Für 2015 hatte Christine einen großen Vorsatz: “Mit meiner Freundin Corinna möchte ich einen Roadtrip durch Italien machen, mit Boris auf der Rückbank.” Und genau das haben wir gemacht. Die zehn gemeinsamen Tage in Italien haben mir gezeigt, dass Freundschaft nicht Gleichheit bedeuten muss.
Natürlich merken wir während der Reise, dass wir unterschiedlich sind. Sie geht um 21 Uhr ins Bett und ist um 8 hellwach. Ich schlafe nie vor Mitternacht und komme morgens nicht aus dem Bett. Wir können uns aber auf den täglichen Urlaubsschwips einigen. Früher mit der Trinkerei anfangen führt zum selben Resultat. Christine wird nie müde, Neues zu entdecken, und ich lasse mich anstecken. Meine emotionale Skala wird durch ihre ansteckende gute Laune erweitert, vor der ich Grumpy Cat mich insgeheim gefürchtet habe. Ich kann mich langsam genau wie Christine genau so für die kleinen Dinge begeistern. Dazu gehört die beste Tomatensauce, die ich in meinem ganzen Leben gegessen habe. Wir halten zusammen kichernd Käse in die Kamera und lassen uns für ein Dorf-Käseblatt fotografieren. Wir fahren schwitzend vor Angst die engsten Serpentinen der Welt hoch und schaffen es, uns nicht anzuschreien.
Wen wir beide gleich lieben, ist der Boris. Dieser Hund ist der glücklichste, flauschigste und verwöhnteste Ex-Straßenhund aller Zeiten. Er fährt nur nicht gerne Auto, was für unseren Roadtrip nur halb optimal ist.
Die ganze Reise ist toll. Der Hund hasst uns zwar nachhaltig für die Fahrerei, aber er findet geschickte Wege, es uns zurückzuzahlen. Erst ist er einen Tag beleidigt. Dann bekommt er Durchfall und Christine wird von einer italienischen Mutti dazu genötigt, die Kacksuppe mit Gras trocken zu wischen. Und dann kotzt er den teuren Hotelreis aus, den er zur Magenkur gekocht bekommen hat.
Das alles kann unsere Stimmung nicht trüben. Es gibt nur eine Sache, die Christine motzen lässt- Müdigkeit. Für die sehr, sehr lange Heimreise stehen wir um 6 Uhr Morgens auf. Gegen Mittag wird nur noch gemeckert – und ich merke, wir sind doch gar nicht so verschieden. Und Freunde fürs Leben.
DIE GASTAUTORIN:
Thekla ist 28 Jahre alt. Sie kann nicht still sitzen, aber bestens im Bett rumliegen. In ihrer Wahlheimat Island arbeitet sie für einen App-Entwickler als Deutsche vom Dienst. In ihrer Freizeit sitzt sie meist auf einem Pferd oder steht auf Skiern. Manchmal vermisst Thekla Berlin sehr. Dann fällt ihr wieder ein, dass es dort nicht an jeder Ecke eine heiße Quelle gibt und die Menschen länger als einen Tag im Voraus planen. Christine kennt sie von deren 90 Tage-Projekt, wo sie die damals noch Unbekannte bei ihrer Oma einquartiert hat.
8 Kommentare
oh,was für ein schöner text!das macht sie direkt noch viel sympatischer. :)
Oh danke ;)
Ha – großartig ;)
Menschen müssen nicht gleich sein, um sich gut zu verstehen! Das merke ich auch immer wieder. Das 21 Uhr ins Bett gehen erstaunt mich nun aber doch. Und das dann bis 8 Uhr schlafen erst recht. 11 Stunden??? Echt? Das ist ja doppelt so lang wie bei mir im Schnitt – und ich bekomme schon mit mit Bloggen gebacken
Na ich geh um 10 manchmal 11 ins Bett aber 8-9 Stunden Schlaf brauche ich schon ;)
sehr sympathisch! …nach diesem text wird mir aber auch Thekla immer sympathischer :D
Hehe, ich bin auch so drauf…7 Stunden Schlaf? geht mal, aber dauerhaft viel zu wenig. Allerdings gehe ich eher um 12 ins Bett und schlafe dann so bis 9 oder 10, wenn möglich. Schlaf wird von vielen echt unterbewertet…aber ohne guten langen Schlaf leider der Körper, meiner Meinung nach, echt!
Das ist mal ein super schöner, ehrlicher und authentischer Text von Thekla. Das ist Freundschaft und eine solche Freundschaft verbindet zwei Menschen, egal wie weit Sie voneinander entfernt sind oder wie “verschieden” sie eigentlich sind! Klingt als könne man mit beiden witzige Trips erleben :) Never stop Traveling!!!
hat mir gut gefallen eure Reisegeschichten, macht euch sympathisch, nur die merkwürdigen Schlafphasen sind anscheinend noch nicht geklärt…