Ich liebe es, Bücher zu lesen. Ganz besonders interessieren mich natürlich diejenigen, bei denen ich eine persönliche Beziehung zum Autor oder der Autorin haben. Es muss fast acht Jahre her sein, seit ich für drei Monate jeden Tag bei Tillmann Prüfer, dem Style Director des ZEITmagazins, als Praktikantin saß. Drei Monate, in denen ich so viel gelernt habe und die mich so sehr prägten. Auch wenn er es abstreiten würde, Tillmann Prüfer war einer meiner Mentoren auf meinen Lebensweg.
Als ich noch von einer Festanstellung in einer Redaktion träumte, ermutigte er mich, mein eigenes Ding zu machen und meinen Blog voranzutreiben. Gesagt, getan. Wer hätte gedacht, was sich daraus entwickelt. Ich durfte in das neue Buch von Tillmanns Prüfer „Kriegt das Papa, oder kann das weg?“* reinlesen, in dem er über das Leben als Vater von vier Töchtern plaudert. Zu diesem Thema hat er schon etliche Kolumnen im ZEITmagazin geschrieben, denn es interessiert die Leser.


Interview mit Tillmann Prüfer zu „Kriegt das Papa oder kann das weg“
Was fasziniert die Menschen an einem Vater von vier Töchtern?
Es sind ja nicht nur vier Töchter, sondern vier Töchter in ganz verschiedenen Altersstufen. Ich glaube, Leser, die Kinder haben, entdecken gerne, dass jemand anderes Ähnliches erlebt. Großeltern können noch einmal die Zeit nachvollziehen, als ihre Kinder noch bei ihnen wohnten. Leute, die keine Kinder haben, stellen sich gerne vor, wie das Leben mit Kindern wäre – und Kinder mögen es, wenn sie von anderen Kindern lesen, mit denen sie sich identifizieren können.
Wie erklärst du deiner sechsjährigen Tochter deinen Beruf?
Sie hat mich ehrlich gesagt noch nie danach gefragt. Ich bin auch ganz froh darum. Ich glaube, sie fände es total ungerecht, dass jemand Geld dafür bekommt, dass er Buchstaben hintereinander reiht. Das macht sie ja auch den ganzen Tag in der Schule: AAAAAAA, BBBBBB – ohne geringste Entlohnung. Dass es eine Kolumne über sie gibt, findet sie selbstverständlich und wundert sich, dass es Kinder ohne Kolumne gibt.
Wenn du ein Superheld wärst, welcher wäre für die Vaterrolle der beste?
Oh, es gab mal einen DC Comic-Helden namens „Plastic Man“. Der hatte einen Körper aus superflexiblem Kunststoff und konnte sich unendlich dehnen und verbiegen. Das kommt der Vaterrolle vielleicht am nächsten.
Was haben dir deine vier – mit deiner Frau fünf – Frauen über das weibliche Rollenbild beigebracht?
Dass dieses Bild vollkommener Unsinn ist. Ich kenne viele Jungs, die von den klischeehaften Zuschreibungen her viel weiblicher sind als meine Mädchen. Ich meine, wir müssen endlich darüber hinwegkommen, unsere Vorstellungen zu pflegen, wie ein Junge und ein Mädchen zu sein hat und einfach die Kinder betrachten, wie sie individuell sind.
Wenn man versucht, aus seinem Kind ein vermeintlich richtiges Mädchen oder einen scheinbar richtigen Jungen zu machen, ist die Botschaft doch: So wie du bist, bist du nicht okay. Und mehr kann man einen Kind kaum schaden. Die einzigen Rollenklischees, die ich aufrecht erhalte: Frauen habe keine Lust, Toaster zu reparieren, Männer haben eine unerklärliche Neigung, sich in der Lebensmitte körperlich verwahrlosen zu lassen.
Hat man es als Vater schwerer als die Mutter?
Wenn man, wie ich, so stark in der Unterzahl ist: manchmal. Neulich hat mich Greta gefragt, warum ich keine Sixpacks habe. Das muss man erst einmal erklären.
Weil es bei mir noch gar nicht so lange her ist, interessiert mich ein Thema besonders – die Geburt. Warst du bei der Geburt deiner Kinder dabei? Wenn ja, wie war es für dich?
Klar, ich war bei allen Geburten dabei. Ich fand es magisch – und sehr anstrengend. Ich kann nicht verstehen, wenn Väter sagen, für den Mann gebe es bei der Geburt nichts zu tun. Soweit es keine Betäubung oder einen Kaiserschnitt gibt, schwimmt die Partnerin durch einen Tsunami von Schmerzen und man ist das Einzige, woran sie sich festhalten kann. Wer kann da nicht gefordert sein?
Wahrscheinlich würdest du mir auf diese Frage keine ehrliche Antwort geben, wenn sie negativ ausfällt, aber ich möchte sie trotzdem stellen: Liebst du alle Kinder, in deinem Fall Töchter, gleich? Ich liebe meine Alma über alles und kann mir im Moment gar nicht vorstellen, dass es bei einem zweiten Kind genauso sein kann.
Ich glaube, so fühlen viele Eltern. Das Kind ist eine solch umwerfende Erfahrung, dass man sich nicht vorstellen kann, noch einmal so zu empfinden. Aber wenn das nächste Kind kommt, empfindet man genauso intensiv. Und hat trotzdem zu jedem Kind ein besonderes Verhältnis. Natürlich liebe ich alle meine Töchter gleich. Aber das ist auch leicht gesagt. Denn die Kinder selbst sind ja immer wieder anders. Die Frage ist ja, wie werde ich allen Kinder in ihrer Entwicklung gerecht? Wie kann ich für sie da sein? Braucht eine Tochter Unterstützung, weil sie mit einer Freundin gebrochen hat? Oder ist konkrete Hilfe in der Schule gefragt? Ich glaube daran zeigt sich viel eher, wie sehr man sich um seine Kinder bemüht als eine abstrakte Liebeserklärung.
Was denkst du, wie viel vom Charakter ist genetisch festgelegt und wie viel Einfluss hat die Erziehung?
Alle Eltern machen die Erfahrung, dass ihre Kinder einen grundlegend verschiedenen Charakter haben. Ich finde, es ist die Aufgabe von Eltern, diese Eigenschaften in ein gutes Verhältnis zur Umwelt zu bringen. Also dabei zu helfen, dass die Kinder im Leben gut klarkommen. Dass es so etwas wie Erziehung geben soll, in dem Sinne, dass man einem Kind bestimmte Eigenschaften anzüchtet, halte ich für Quatsch. Für eine Machtphantasie von Eltern. Sie sollen einfach dafür sorgen, dass sie jemand sind, auf den sich das Kind jederzeit verlassen kann. Damit hat man schon genug zu tun.
Was kommt dir als Erstes in den Sinn, wenn ich das Wort „Familienurlaub“ sage?
Schokoladeneis-Flecken auf weißen Kleidchen.
Da ich ja einen Reiseblog habe, interessiert mich ein Thema ganz besonders: Wo ging euer letzter Urlaub hin? Und wie war es?
Wir haben Eselwandern in den französischen Alpen gemacht. Das war wunderbar. Eine Woche auf 1.600 Metern Höhe im Funkloch. Und nichts um uns herum als Natur. Da wurde mir erstmal bewusst, wie schwer das heute ist, Kindern fast unberührte Natur zu zeigen.
Beschreib doch mal einen ganz normalen Urlaubstag.
Beim Eselwandern? Aufstehen, Berghüttenfrühstück, Lunchboxen packen und die beiden Esel von der Weide holen, putzen und bepacken. Danach mit den Kindern über Höhenstiege und Bergkämme kraxeln, immer auf die Gutmütigkeit der Esel vertrauend. Dabei sammelt man Walderdbeeren oder hält Ausschau nach Murmeltieren. Bei der Ankunft bei der nächsten Hütte viel Diavolvo trinken, ein Mix aus Limo und Fruchtsirup. Dann noch ein bisschen mit den Eseln spazieren gehen, eine Hose im Bergwasser waschen, Raclette essen, Karten spielen und ins Bett, weil es ab 21 Uhr keinen Strom mehr gibt. Das Schönste ist, dass man keine Entscheidung treffen muss, außer ob man Rommé oder Uno spielt.
Was sind deine drei Tipps, um einen Familienurlaub heil zu überstehen?
Ich finde, man soll einen Ort wählen, an dem die Kinder sich selbstständig machen können, ihre eigenen Entdeckungen machen und nicht bei allem von den Eltern abhängig sind. Dann sollte man hin und wieder die Kinder rücksichtslos zwingen, etwas zu mitzumachen, was man selbst gut findet. Ob das eine Wanderung oder ein Trip in eine andere Stadt ist. Und gut ist, wenn man recht früh ein Restaurant findet, wo alle gerne essen. Guter Urlaub mit schlechtem Essen ist ganz schwierig. Und außerdem muss man sich ein gutes Buch mitnehmen, das man lesen kann, während die Kinder einen Souvenirshop nach dem anderen durchstöbern. Das waren jetzt vier Tipps.
Wie hat sich deine Rolle als Vater geändert von der ersten zur letzten Tochter? Bist du gelassener ? Oder gereizter?
Dankbarer. Wenn man jung ist, geht man irgendwie davon aus, dass alles gut geht. Später lernt man, dass es ein großen Glück ist, wenn alle gesund und wohlauf sind.
Zeit für dich – gibt es die? Wenn ja, wie nutzt du sie?
Ja klar, ich habe zum Beispiel ein Fernstudium angefangen, mache Sport und pflege ein Aquarium. Ich glaube, es ist wichtig, sich bestimmte Dinge vorzunehmen für die man sich Zeit nehmen will und das auch mit den Partner zu besprechen. Notfalls steht man eben eine Stunde früher auf und geht dafür etwas früher ins Bett. Aber generell muss ich sagen, dass die Zeit mit den Kindern schneller vergeht, als man es sich wünscht. Man sollte das nicht geringschätzen.
Ich musste herzhaft über den Satz von deiner zweitgrößten Tochter lachen „Papa, warum hast du mein Bild noch nicht gelikt, interessierst du dich nicht für mich?“ Ich glaube, das sagt sehr viel darüber aus, dass ihr eine sehr gutes Verhältnis habt. Ich denke, den meisten wäre es doch peinlich, wenn ihr Vater ihnen auf Instagram folgt. Oder etwa nicht?
Oh, es gibt genug andere Gelegenheiten für sie, ihren Vater peinlich zu finden. Ich singe zum Beispiel gerne – aber richtig schlecht.
Was ist das Schönste und Wichtigste, was du von deinen Töchtern lernen konntest?
Eigentlich, das Lernen an sich. Dass es nicht nur darauf ankommt, den Kindern etwas beizubringen. Sondern von ihnen zu lernen, wie man mehr Spaß am Leben hat. Erwachsene lachen durchschnittlich 15 Mal am Tag, Kinder 400 Mal. Das sollte man sich öfter mal vergegenwärtigen. Was würde man wohl selbst von jemandem lernen wollen, der 26 Mal weniger oft die Mundwinkel hebt als man selbst?
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