Palma: Römer, Vandalen, Mauren, Katalanen: Was musste die Insel nicht alles an Eindringlingen ertragen. Selbst als sich rot-verbrannte Hobbytrinker in Badelatschen ihrer Hauptstadt bemächtigten und die Strandpromenade zu ihrem Tummelplatz auserkoren, nahm Mallorca das gleichmütig hin. Ja, auch dass sich die Stammtischbrüder grölend, wahlweise grunzend miteinander verständigten, aus Eimern tranken und ihre Schlagermusik unerträglich dröhnte. Doch Palma ist eigentlich so viel mehr:
Insel der Seligen
Momente der Muße? – Die gab es natürlich auch. Bevor Mallorca in den Sechziger Jahren vom Pauschaltouristen überrannt wurde, zog es vor allem Künstler, Schriftsteller und den gestressten Hochadel in seinen Inselgarten: Albert Camus suchte die Abgeschiedenheit der Balearen genauso wie vor ihm Kaiserin Elisabeth, die gute „Sissi“, die den Trubel am Wiener Hof verabscheute und gegen die Ruhe der Serra de Tramuntana eintauschte. „Auf Mallorca ist die Stille unergründlicher als anderswo,“ beschreibt die französische Schriftstellerin George Sand die Vorzüge der Insel, die sie mit ihrem Geliebten Frédéric Chopin besuchte. Das war im Winter 1838/39. Lang ist’s her.
Doch ein Stück dieses Zaubers hat sich bewahrt. In den Wintermonaten wandelt sich Mallorca zu einem Hort der Stille: Die Hotelfenster erblinden, die Sandstrände verwaisen und leuchten nur dann sekundenlang auf, wenn sich ein Zugvogel zu ihnen verirrt.
Ein Spaziergang durch Palma sättigt die Sinne: Im Yachthafen ankern die Segelboote, hin und her wiegen sie im Takt der Wellen. Es riecht nach Salz und nach Fernweh. Ein Gürtel aus Palmen umsäumt die Stadtmauer. Darüber thronen Windmühlen im gleißenden Sonnenschein, enge Gassen, Hauswände in warmen Terrakottafarben, filigrane Balkone. Jeden Moment könnte eine noch schläfrige Schönheit hinaustreten, sich in der milden Morgenluft räkeln und den Duft der Orangenhaine inhalieren. Kommt mit, ich zeige Euch die schönsten Plätze der Stadt – Geheimtipps inklusive.
Gutes Essen und Trinken
Patrón Lunares
Das Patron Lunares verdankt seinen Namen einem mallorquinischem Fischer, dem Großvater von Mitbesitzer Javier Bonet. Bevor das neue Restaurant eröffnete, trafen sich dort die Rentner aus der Nachbarschaft zum Spielen, Essen, Trinken und um zum Plausch. Als der Seniorentreff geschlossen wurde, versprach der Enkel von Señor Lunares seinem Opa den Ort am Leben zu erhalten. Heute zählt die Kantine zu den Szene-Restaurants in Palmas Ausgehviertel Santa Catalina! Es ist Restaurant, Bar, Lesesaal, Galerie, Treffpunkt für Jung und Alt. Am Wochenende solltet Ihr einen Tisch reservieren.
Aromata
Das Aromata liegt im beheizten Innenhof eines Stadthauses aus dem 14. Jahrhundert. Sternekoch Andreu Genestra setzt in seinem Restaurant auf naturbelassene Lebensmittel, die er zum Teil selbst anbaut. Das schmeckt man. Im Aromata zaubert Genestra mediterran mallorquinische Gerichte wie Ceviche, Frito marinero oder das scharfe Pica-Pica (in Tomaten- und Zwiebelsud gebratene Sepiascheiben).
La Sifonería
60er Jahre Garagenatmosphäre mit Schallplattenmusik, Originalfilmen und hervorragendem Wein, der direkt aus dem Fass abgefüllt wird. Dazu gibt es althergebrachte Brausen: die sogenannten gaseosas. Dahinter verbergen sich Limonaden mit Zitronen- oder Orangengeschmack sowie die auf Mallorca erfundene pinya mallorquina – das dunkle colaähnliche Traditionsgetränk, das einst alle tranken, bevor Coca-Cola ihren Siegeszug antrat.
Das ganze wird in den von buntem Plastik ummantelten Siphons verkauft. Der Mallorquiner Juan Carlos Montoro besann sich nach seiner Rückkehr aus Berlin auf diese mallorquinische Tradition genauso wie auf das Pfandflaschensystem. Mit diesem Konzept eröffnete er 2010 seine „La Sifonería“ in Palmas Altstadt.
Schlafen und weiteressen
Hotel Cort | The Island
Das Stadthotel Cort beherbergt ein Restaurant mit sehr einfallsreicher Küche. Geschmackvoll minimalistisch sind auch die individuell eingerichteten Zimmer mit Blick auf den Placà Cort und das Rathaus. Wer sich hier einquartiert, will nicht mehr vor die Tür gehen.
Hotel Jaime III
Das Foyer des eleganten Jaime III riecht nach Sandelholz und lässt bereits die Liebe zur Kunst seiner Besitzer erahnen. Wer hier wohnt, kann sich den Gang ins Museum sparen, denn auf den dunklen Wänden der Hotelflure leuchten Bilder, Fotografien und Installationen zeitgenössischer Künstler.
Kunst und Kultur
Museum für zeitgenössische Kunst Es Baluard
Das katalanische Wort Baluard bedeutet Bollwerk und verweist auf die alte Befestigungsanlage, innerhalb der das Museum 2004 gebaut wurde. Die überschaubare Sammlung überrascht mit Werken international renommierter Künstler wie Miró, Gaugin, Modigliani oder Picasso, zeigt aber auch die Arbeiten mallorquinischer Maler und Bildhauer.
Über Rampen, Balkone und Galerien erreicht man die Terrasse des Es Baluard, die einen spektakulären Ausblick über die Stadt, den Hafen und auf die Kathedrale eröffnet.
La Llotja
Klang- und Schattenwelten: Die Installation „Sombras“ (Schatten) des Franzosen Christian Boltanski in der alten Seehandelsbörse „La Llotja dels Mercaders“.
Correfoc und die Fiesta Sant Antoni
Wer etwas ganz besonderes erleben will, sollte Mitte Januar nach Mallorca reisen. Dann feiert die Landbevölkerung Sant Antoni, den Tag des Heiligen Antonius, Schutzpatron der Tiere (17. Januar).
Auf den Straßen und Plätzen der Hauptstadt sammeln sich Jung und Alt zum Correfoc, einem nervenaufreibenden Feuerspektakel. Unter Feuerfontänen, Funkenschlag und Trommelwirbel jagen Drachen, Teufel und Dämonen die Menschen durch die Stadt. Mit dem Feuer versuchen sie die bösen Geister des vergangenen Jahres zu verjagen.
Feurig ging es auch am Vorabend des 20. Januar zu. Zu Ehren San Sebastians, des Schutzpatrons der Stadt, zieht es die Einwohner Palmas auf die Plaça Major. Während der Revetla de San Sebastià tanzen die traditionellen Riesenfiguren ihren Reigen, bevor ein Scheiterhaufen entzündet wird. Über die ganze Stadt verteilt werden öffentliche Grills angezündet, an denen Anwohner und Gäste ihr mitgebrachtes Grillgut schmoren.
Lichtexplosion in der Catedral La Seu
Wuchtig und imposant: Die gotische Kathedrale ist schon für sich eine architektonische Meisterleistung, aber das genügte den Baumeistern offensichtlich nicht. Dank ihrer ausgeklügelten Rechenleistung kommt es jeweils am 2. Februar und am 11. November eines Jahres im Innenraum zu einem Farbspiel, das man nicht verpassen sollte. Durch die gigantischen Rosettenfenster fällt das Sonnenlicht und formt auf der Westwand eine Acht, das Zeichen der Unendlichkeit. Zur Wintersonnenwende am 21. Dezember sind die Lichtreflexe bei Sonnenaufgang so intensiv, dass es im Bauch der 700 Jahre alten Kapelle zu brennen scheint.
Auch sonst beherbergt die Kathedrale viele leuchtende Schätze. Mit einem grandiosen Relief hat der mallorquinische Künstler Miquel Barceló die Petruskapelle umgestaltet: 15 Tonnen Terrakotta wurden verarbeitet, bis zu zwölf Meter hoch ziehen sich die ausgewalzten Bahnen neben dem Hauptchor. Makrelen, Krustenbrote, Kürbisse und Totenschädel wölben sich heraus. Die biblische Episode der Speisung der Fünftausend zeigt Landschaften aus Fleisch und Frucht, an der man sich nur schwer sattsehen kann.
Anfang des 20. Jahrhunderts ähnelte der Innenraum des Gotteshauses einem finsteren Verlies: Dunkle Vorhänge, zugebaute Fenster, ein Chor, in dem sich die Geistlichen von den Gläubigen abschotteten. Zaubermeister Antoni Gaudí sollte das alles ändern. 1904 machte sich der spanische Künstler daran, der Kathedrale mehr Licht einzuhauchen, um ihr so die alte Leichtigkeit wiederzugeben. Er räumte gründlich auf, ließ Fenster freilegen und modernisierte die Beleuchtung, er versetzte den Chor und gestaltete einen über dem Altar schwebenden Baldachin aus Weizenähren und Weinreben.
Die Hauptstadt von Mallorca ist weit mehr als Sangria schlürfen am Ballermann und Rückzugsgebiet für sonnenverwöhnte Rentnerpaare. Denk‘ ich an Palma, denke ich an Kunst, Kultur und maritime Köstlichkeiten. Fahrt hin, entdeckt die Hafenstadt, wer sich beeilt, riecht noch die Mandelblüte. Wenn Ihr Eure eigenen Entdeckungen teilen wollt, schreibt Eure Tipps gern in die Kommentare.
Vielen Dank für die Unterstützung an Passion for Palma de Mallorca. Alle Fotos wurden mit der OLYMPUS E-PL5 aufgenommen.
7 Kommentare
Du zeigst uns Palma in vielen Facetten. Und die Ensaimadas…..
hmmmm!!!
Hallo Anja,
was für ein schöner Artikel! Obwohl Mallorca tatsächlich seit über 17 Jahren meine 2. Heimat ist, kannte ich doch nicht alle Orte, die in diesem Artikel vorkommen. Ende des Monats wenn ich wieder auf der Insel bin, werde ich auf jeden Fall mal in der La Sifonería vorbeischauen. Danke für den schönen Tipp!
Liebe Grüße,
Nina
Hallo Nina, ich freu mich, wenn Dir die Tipps Lust auf einen Abstecher machen. Schreib mal, wie es Dir gefallen hat und was Du selbst noch so entdeckt hast. Buen viaje! anja
Total Klasse zum Essen ist La Cantina De Frida Taqueria in der Nähe von Las Ramblas, soooo lustig überall Frida Kahlo Bilder und Essen so klasse!
Wirklich sehenswert und extrem lecker ist auch der Mercat in Santa Catalina. Santa Catalina ist eh an sich bombe, da ist wirklich an jeder Ecke ein einzigartiges Restaurant, Kaffee, Shop… Hach…
Danke für den Tipp!
Yeah, ich bekomme gleich Hunger, wenn ich das lese. Danke für die Tipps! anja