Am spannendsten finde ich es in fremden Ländern ganz normale und alltägliche Sachen zu erledigen. In die Apotheke gehen und Kopfschmerz-Tabletten besorgen, einen Waschsalon aufsuchen, Lebensmittel einkaufen, Kaffee trinken oder Auto fahren. So bekommen gewöhnliche Dinge einen ganz neues Gefühl. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich das erste Mal mit dem Auto über den Highway in Florida gefahren bin. Noch nie war Autofahren so aufregend. Ich habe jedoch drei Tage gebraucht um herauszufinden, warum immer alle an der Kreuzung bei rot rechts abbiegen. Bei einem Roadtrip erledigt man zum Glück ganz viele alltägliche Sachen. Ich gehe in den Supermarkt einkaufen, steige wie Trucker im Motel ab, esse in Fastfood-Restaurants und entwickle nach ein paar Tagen eine Routine. Es prasseln irre viele Eindrücke auf mich nieder, aber nach drei Tagen, normalisiert sich alles. Nach drei Tagen, wird schon fast alles zur Gewohnheit, der erste Nervenkitzel ist vorbei und es kommt der verflixte vierte Tag.
Wir starten an diesem Morgen nach dem Frühstück vom wunderschönen Mammoth Lake in den noch wunderschöneren Yosemite Nationalpark.
Es ist alles, wie im Bilderbuch. Beeindruckende Felsen aus Granit, Wasserfälle, wilde Bäche, glasklare Seen mit wilden Wiesen und von steilen Bergwänden umrahmt. Dazu große Tannen und noch größere und breitere Mammutbäume. Während alle im Auto aus den „Ohhs“ und „Ahhs“ nicht mehr rauskommen, sitze ich regungslos da. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich bei der Begeisterung einfach nicht mithalten kann. Natürlich ist alles wunderschön hier, aber es ist eben der verflixte vierte Tag. Genauso wie ein Roadtrip, bekommt auch das Reisen allgemein eine Routine, wenn man es so intensiv betreibt, wie ich. Der vierte Tag ist der Downer. Drei Tage bin ich jeden Morgen in absoluter Flummyball-Adrenalin-Stimmung, laufe mit aufgerissenen Augen durch die Welt, möchte alles sehen und fotografieren und mein Lieblingssatz ist: „Oh, ist das schöööööön.“ Am vierten Tag erkennt man mich meistens nicht wieder. Still und nachdenklich sitze ich auf dem Beifahrersitz und schau so vor mich hin. Der verflixte vierte Tag ist Heimweh-Tag. Ich glaube, es geht in meinem Leben nie schmerzfrei. Entweder habe ich Fernweh oder Heimweh. Ich würde am liebsten sofort zum Flughafen und wieder nach Hause. Ich will mit Freunden Kaffee trinken, Menschen in die Arme fallen, mich in mein Bett kuscheln und einfach zuhause sein. Bis Mittags versuche ich gegen dieses absolut bekloppte Gefühl anzukämpfen und rede mir selber gut zu: „Christine, du bist im Yosemite Nationalpark, das ist der Traum von so vielen, einmal durch Kalifornien einen Roadtrip zu machen und diesen Park zu sehen, eine Wanderung zu unternehmen ein Foto auf dem Glacier Point zu machen und einen großen Mammutbaum zu umarmen und du, du blöde Kuh sitzt da wie ein Schluck Wasser in der Kurve und ziehst eine Fresse als wäre jemand gestorben.“ Je mehr ich versuche das blöde Heimweh-Gefühl loszuwerden, desto schlimmer wird es. Es kommt immer am vierten Tag einer Reise, egal ob ich nur fünf Tage oder drei Wochen unterwegs bin. Ich bin ihm einfach hilflos ausgeliefert. Was das verflixte siebte Jahr in einer Beziehung, ist der verflixte vierte Tag auf meinen Reisen. Zu diesem schrecklichen Gefühl der Sehnsucht nach irgendetwas, was ich gar nicht richtig beschreiben kann, aber irgendwie mit meinen Freunden und meiner Familie zu tun hat, kommt auch noch der innerliche Druck. Es trauert sich auf jeden Fall besser irgendwo im düsteren, verregneten Norden als im sonnigen Kalifornien.
Ich bin hier in diesem wunderschönen Park auf der Suche nach einer bezaubernden Geschichte für meinen Post, aber bin völlig mit dem Reiseblues beschäftigt. Gegen Mittag habe ich mich dann endlich entspannt, die schlechte Laune, schlechte Laune sein lassen, aufgehört sie zu unterdrücken, einfach den Blues Blues sein lassen und ohne schlechtes Gewisse nicht „Ohhh“ und „Ahhh“ zu staunen. Das war gut. Richtig gut, denn langsam entspanne ich mich, die zugeschnürte Herzschmerz-Seele öffnete sich wieder und ein paar Sonnenstrahlen scheinen direkt durch die Mammutbäume in mein Herz.
Und da ist sie auch – meine Geschichte über den Yosemite Nationalpark. Die unverblümte Wahrheit, dass man nicht immer glücklich sein kann, auch wenn alles um einen herum so wunderschön ist, wie in einer Märklin-Eisenbahnwelt. Ich lebe im großen Luxus und kann wählen zwischen Fernweh und Heimweh. Die Entscheidung fällt mir immer sehr leicht. Ich ertrage lieber das Heimweh, das ist nur ein Tag da. Das Fernweh hingegen, zieht sich meistens über Wochen hin.
Für alle Reisenden mit dem Reise-Blues, hier eine Happy-Playlist von mir und meinen Blogger-Kollegen. Einmal gehört und die gute Laune ist hoffentlich wieder da. Ist bestimmt ein Lied für jeden Geschmack dabei! Auf den Blogs der anderen findet ihr jeweils noch die eigene Lieblings-Playlist.
Mein Happy Song: Florence + The Machine – Dog Days Are Over
Tenaya Lake
Stefan von Kaffeeersatz: Jake Bugg – Lightning Bolt
Yosemite National Park
Yvonne von justtravelous: Aufstehn – Seeed
Yosemite Valley
Nina von smaracuja: John Farnham – You’re the voice
Lea von escape town: Rachel Goodrich – Light Bulb
Susi von blackdotswhitespots: Röyksopp – What Else Is There
Johannes von Reisedepechen: Bibi Johns – Wo, Wo, Wo Liegt Dixieland
Heike von Kölnformat: Simple Minds – Mandela Day
Can von bycan: Opeth – The Drapery Falls
Jeans von rad-ab: Satin Circus – EMMA
Thomas von Autogefühl: Dash Berlin feat. Kate Walsh – When you were around
Burger im Yosemite Valley
Tom von 1300ccm: The Race – Yello
Mikhail von newcarz: Drive By – Train
Wer einen Bären sehen möchte, der sollte sich im motel6 Mammoth Lake auf die Lauer legen. Hier kommt angeblich jede Nacht einer vorbei.
16 Kommentare
der halbe park ist vor kurzem abgebrannt, das hättest du auch erwähnen können. aber vielleicht passt das nicht in deinen gesponserten post.
Der Post ist nicht gesponsert, wie kommst du darauf? Ich nehme an, dass meine Leser Zeitung lesen und wissen, was passiert ist. Das hier ist eine Geschichte zu meinen Erfahrungen als ich da war.
Lustig, wir scheinen fast den selben Trip geplant zu haben. Ich schwelge bei deinen Posts jedesmal wieder in Erinnerungen.
Der Blues kam auch zu mir – das gehört wohl dazu :)
Hach, der Tenaya Lake. Traumhaft schönes Fleckchen ist das!!
So ein ähnliches Foto gibts von mir jetzt auch… :)