Donnerstagnachmittag. Ich passiere mit meinem blauen Peugeot das Ortsschild Hombergshausen. Ein kleines Dortf mit ca. 30 Häusern, das mein Navi gar nicht geortet hat aber wirklich existiert. Mitten im Dorf biege ich bei einem alten Fachwerkhaus mit dem Werbeplakat „Ferien auf dem Bauernhof“ links ab. Ich fahre an einer Schafsweide vorbei, an einer Pferdekoppel und einem Pilgerweg, hinauf zum Schutzgebiet. Zum Musikschutzgebiet.
Björn hängt die Lampen auf, Steffy schmiert Nutellabrötchen für die Parkplatzwärter und Julia füllt den Bierpils auf. In weniger als 24 Stunden feiern auf dem Grünhof 1800 Leute. Was vor ein paar Jahren mit 300 Leuten angefangen hat, ist heute ein heiß begehrtes Insiderfestival, dessen Ticketpreis auf dem Schwarzmarkt den doppelte Wert erreichen.
Seit ich das „40 Wochen, 40 Festival“ Projekt angefangen habe, hat sich eine fixe Idee in meinem Kopf entwickelt, die langsam gärt und gärt, sich vergrößert wie ein Hermann im Kühlschrank und immer stärker wird. Nach den 40 Festivals würde ich gerne mein eigenes Festival organisieren – das Fourty for Festival. Nachdem ich einen Tag auf dem Musikschutzgebiet verbringe, legt sich meine Begeisterung für das Vorhaben. Es ist nicht ein normaler Tag den ich auf dem Musikschutzgebiet verbringe, es ist der Tag davor und irre. Irre viel Arbeit.
Ich fühle mich etwas schlecht. Alle schwitzen, schuften und arbeiten und ich sitze rum. Rumsitzen und beobachten. Das ist mein „Job“. Ich wollte einmal wissen wie es ist, ein Festival aufzubauen. Was passiert einen Tag vorher? Wie groß ist der Stressfaktor? Wie viele Leute sind da?
„Wir hätten locker 4000 Karten verkaufen können, aber wir wollen es klein und intim halten. Obwohl ein bisschen Charme ist schon verloren gegangen. Früher haben wir keine Baumzäune gebraucht.“, berichtet mir ein Helferlein. Seit 2004 organisiert das Musikschutzgebiet ein fester Kern. Lotta kümmert sich um das Bistro, Hubertus gehört das Gelände, Julia macht die Gastro, Steffen das Administrative, Tobias die Elektrik, Phillip alles was anfällt, Stefan Merchandising, Nico Backstage und Catering und Matthias das Booking. Einmal im Jahr treffen sich alle wieder in ihrer Heimat, reisen aus München, Hamburg, der Grenze der Schweiz oder Kassel an, um etwas großartiges zu organisieren – ein „Klassentreffen“ mit einer riesen Party. Dazu kommen 100 freiwillige Helfer.
Was die machen, seht ihr im Video:
Nach Rock am Ring und Rock im Park ist das Musikschutzgebiet bei Kassel das absolute Kontrastprogramm.
Was es so besonders macht? Die familiäre Atmosphäre. Die Bratwurst aus Hubertus Schweinen, die eine Woche vorher in 200 Meter Luftlinie geschlachtet wurden, die Milch vom regionalen Bauer, die Telefonzelle, die als Dusche umfunktioniert wurde und der Doppeldeckerbus der als Café eingerichtet wird. Die Liebe zum Detail aber auch die Liebe zueinander. Schließlich sind sie alle Organisatoren Freunde und kennen sich schon seit Jahren.
Um 16 Uhr spielt die erste Band, begeisterte Besucher, die gestern auf ihren ersten Rausch hingearbeitet haben, kommen vom Zeltplatz auf den Grünhof gepilgert. „Ich glaube den schönsten Moment hatte ich letztes Jahr. Als ich am Samstagabend hier im Hof stand und auf die tanzende Menge geschaut hab und wirklich realisiert habe, was wir auf die Beine gestellt haben“, schwärmt Lotta. Ja, das muss ein geiles Gefühl sein. Fast 2000 Menschen zum Feiern zu bekommen und ihnen ein unvergessliches Wochenende zu organisieren. Meine Begeisterung ist wieder da, das Fourty for Festival ganz präsent. Vielleicht klappt es ja irgendwie. Jemand Lust mitzumachen? ;)
Die Duschen – Telefonzellen
Eine Frage habe ich noch an Lotta. Wird es das Musikschutzgebiet 2013 wieder geben?
„Ich glaub da kommen wir nicht mehr so schnell raus“, Lotta lacht. Und ich freu mich.
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