Normalerweise starre ich auf den Boden, versuche Wurzeln und Steinen auszuweichen, die Füße weit nach oben zu heben und schaue nur selten meine Umgebung an. Nur an besonderen Stellen, die oft daran zu erkennen sind, dass der Weg außerhalb des Pfades platt gedrückt ist durch die vielen Wanderer, die besonderes nah an die Aussicht heran wollten und so weit es ging an den nächsten Busch oder Abgrund traten.
Während ich monoton einen Fuß vor den anderen setze, dreht sich mein Kopf im Kreis. Meine Gedanken fahren Karussell. Immer wieder nehme ich einen Gedankenstrang auf, doch bevor ich ihn zu Ende gedacht habe, ist er mir schon wieder entglitten und meine Aufmerksamkeit ganz wo anders. Bei einer Wurzel, dem nächsten Tag, der nächsten Reise. Ich gebe zu, bis jetzt hat mich das Wandern an sich, wenn ich es auf die monotone Bewegung der Beine reduziere, nicht sehr interessiert. Sicherlich, die Aussichten waren oft unbeschreiblich schön und es war auch ein tolles Gefühl “etwas geschafft zu haben”, einen Gipfel erreicht oder eine Strecke hinter sich gelassen zu haben. Doch ganz ehrlich, es fällt mir, wie bei vielen Sachen, schwer abzuschalten und nach drei Stunden wandern ist mir ganz schwindelig im Kopf von der Karussellfahrt und ich bin erschöpft, denn mit den Gedanken komm ich nie ans Ziel. Worauf ich eigentlich heute hinaus möchte in meinem Post: Ich möchte euch inspirieren etwas auszuprobieren. Ich habe eine wunderbare Symbiose entdeckt – laufen und hören. Ich habe einen Zustand beim Wandern gefunden, der mich in eine andere Welt entführt.
Es war in Neuseeland, als ich fünf Stunden lang den Queen Charlotte Track gewandert bin. Zum ersten Mal habe ich beim Wandern ein Hörbuch laufen lassen. Mit den Kopfhörern auf den Ohren, dem salzigen Geruch des Meeres gepaart mit dem süßen Duft der Hölzer in der Nase und einem Herz, das bergauf pumpte, als müsste es die Titanic über Wasser halten, wanderte ich und lauschte der Stimme von Burghart Klaußner, der mir Vogelweide von Uwe Timm vorlas. Ich tauchte ein in die Geschichte, ertappte mich dabei, wie ich an manchen Stellen laut loslachte oder ungläubig den Kopf schüttelte. Ich gebe zu, ich entziehe mich meiner Umwelt, ich lauschte nicht dem Meeresrauschen oder den vielen Vögeln, die über mir in den Bäumen saßen und ein Lied für mich sangen. Ich lausche nur der Stimme in meinem iPhone. Die Landschaft um mich herum bekam eine Geschichte. Das Meer unter mir ist plötzlich die Nordsee an der mein Protagonist Eschenbach mit der schönen Anna nackt baden geht und sie sich anschließend in den Dünen lieben, während ein alter Mann mit Fernglas die beiden beobachtet. Die Landschaft wird mein Drehort und bekommt Leben eingehaucht, eine Geschichte, die sie noch viel schöner macht und die sie für immer und ewig in meinem Kopf abspeichert. Ich muss oft im Alltag an Buchszenen denken, die nun automatisch an Neuseeland und den Queen Charlotte Track gekoppelt sind.
Mit diesem Post möchte ich euch inspirieren euch ein Hörbuch zu holen und nächstes Wochenende oder nach der Arbeit spazieren zu gehen. Ich bin mir sicher, ihr werdet es auch lieben.
Am Ende des Queen Charlotte Track steht eine Schaukel :)
Furneaux Lodge am Queen Charlotte Track
Bucht am Queen Charlotte Track
Hier legt dreimal in der Woche das Magic Mail Boat an und bringt die Post
Die Marlborough Sounds zu meinen Füßen
Wer den Queen Charlotte Track läuft, ist mit grandiosen Aussichtspunkten auf die Sounds gesegnet.
Info: Wer ein Stück vom Queen Charlotte Track laufen möchte, der nimmt ab Picton die Fähre nach Ship Cove. Von da ab läuft man 15 km bis zur Furneaux Lodge, an der man sechs Stunden später wieder abgeholt wird. Für tolle Hörbuchen kann ich euch audible empfehlen. Ich teste gerade das Probeabo und bin sehr, sehr zufrieden.
3 comments
Eine ähnliche Erfahrung habe ich bei Joggen gemacht. Man denkt über die verschiedensten Dinge nach. Aber wenn man wieder zuhause ist und sich fragt über was man denn so wichtiges nachgedacht hat stellt man fest, dass man alles vergessen hat oder totaler Schwachsinn war. Ich bin nicht so der Hörbuchtype und bevorzuge da lieber Musik. Aber wenn man Musik hört beim Joggen oder Wandern geht es mir so, dass ich dann den ganzen Songtext komplett auseinandernehme und man hat danach das Gefühl doch irgendwie was sinnvolles gemacht zu haben.
Viele Grüße Timo
http://www.headformylife.com