Der Albtraum jeder Eltern wird in meinem Fall nun wahr: Das Kind geht weg. Und zwar nicht nur in die Nachbarstadt und auch nicht nur für ein paar Tage, sondern einmal über den großen Ozean hinüber auf einen anderen Kontinent. Mein Plan? Auswandern nach Ecuador, und zwar für unbestimmte Zeit.
Man sollte ja meinen, meine Eltern sind mittlerweile daran gewöhnt, dass ich ihnen und Deutschland den Rücken kehre, um die Welt zu entdecken, doch ist die Dauer der Abwesenheit so komplett nicht absehbar, ist es doch noch einmal was anderes – sowohl für sie als auch für mich. Glücklicherweise habe ich den typischen Fernseh-Auswanderern in mancherlei Hinsicht etwas voraus: Ich war vorher schon einmal in diesem Land, ich spreche ein bisschen die Landessprache und habe vor Ort schon Arbeit. Kurz: Ich weiß (mehr oder weniger), worauf ich mich einlasse.
Ich möchte euch nicht direkt erzählen, auf was ihr alles achten oder um was ihr euch alles kümmern müsst, bevor ihr euch auf und davon macht, denn selbstverständlich variiert das von Land zu Land, von Art zu Art und von Länge zu Länge des Auslandsaufenthalts. Vielmehr möchte ich einen kleinen Ausschnitt meiner emotionalen Achterbahnfahrt vor der Ausreise preisgeben, mit der sich bestimmt der ein oder andere ebenfalls identifizieren kann.
Auswandern nach Ecuador: noch 89 Tage
Der Gedanke, der mir seit Wochen durch den Kopf wirbelt, den ich hin und her gedreht, von oben und unten betrachtet habe, ist zum Stillstand gekommen, hat sich gefestigt. Die Entscheidung ist gefallen. Ich gehe zurück nach Ecuador. Zurück in dieses Land, in dem ich vor ein paar Monaten eine zweite Heimat gefunden habe. In dem ich mich so wohl gefühlt und das Leben so ausgekostet habe wie schon lange nicht mehr. Doch es gibt einen klitzekleinen Unterschied zum letzten Mal: Dieses Mal habe ich ein one-way Ticket. Wie bringe ich das nur meiner Familie bei?
Auswandern nach Ecuador: noch 68 Tage
Das euphorische Hochgefühl, das mich nach meiner Entscheidung gepackt und auf einer rasenden Welle mitgerissen hatte, ebbt langsam aber sicher ab. Jetzt heißt es Kopf einschalten und Checkliste anlegen. Was brauche ich alles?
- Flug
- Versicherung
- alle möglichen Dokumente für das Visum, etc.
Anstatt nach und nach kürzer zu werden, wird die To-Do-Liste gefühlt jeden Tag um fünf Punkte länger. Ich hake eine Sache ab, zwei weitere Dinge fallen mir ein. Flug ist gebucht, aber jetzt muss die Geburtsurkunde auch noch beglaubigt werden. Aber Moment – wo war die denn noch gleich? Wann hatte ich sie zuletzt in der Hand? Wohl schon eine Weile her. Nach drei erfolglosen Stunden, in denen ich mithilfe meiner Familie das Haus auf den Kopf gestellt habe, ist immer noch keine Spur von ihr in Sicht. Zum mindestens zehnten Mal denke ich mir, dass man einfach mal alle wichtigen Dokumente an einen Ort packen und sie nie wieder verlegen sollte. Nach einer weiteren Stunde Haare raufen und hinter-Schränke-Gucken kriegen wir sie endlich in die Hände. Leicht gestresst mache ich mich auf, um den Stapel Papier in meinen Händen beglaubigen zu lassen. Apostille drauf, Stempel drüber, Geldbeutel um einige Euro leichter.
Auswandern nach Ecuador: noch 58 Tage
Hamburg, Ostsee, Berlin, Nürnberg und Regensburg – ich wechsle momentan deutsche Städte wie andere Leute ihre Unterwäsche. Doch ich habe das Gefühl, dass ich die Zeit nutzen muss, dass ich meine letzten Wochen in Deutschland in vollen Zügen auskosten und so viel mitnehmen muss wie nur geht. Alte und neue Freunde in allen Ecken des Landes besuchen, einen Stopp bei Familienmitgliedern einlegen und so viel Quality Time wie möglich miteinander verbringen. Die Zeit rast – wo sind nur die letzten Wochen geblieben?!
Auswandern nach Ecuador: noch 42 Tage
Weiter geht der Städtemarathon: Straubing, Heidelberg, Allgäu und München. Wieso ist Deutschland eigentlich so schön?! Warum wollte ich noch gleich nach Ecuador zurück? Soll ich nicht einfach nach München ziehen? Die letzten Wochen habe ich mich schon wieder so sehr an das Leben hier gewöhnt, dass mir das Gehen mittlerweile von Tag zu Tag schwerer fällt.
Auswandern nach Ecuador: noch 28 Tage
Mein aktueller Nebenjob im Eiscafé nimmt mich vollkommen in Beschlag. Sommerferien, 30 Grad und wolkenloser Himmel – da rennen uns die Besucher die Türe ein. Doch Arbeiten ist gut, ich bin um jeden verdienten Cent dankbar, denn Auswandern (oh je, habe ich dieses Wort gerade tatsächlich in den Mund genommen?!) ist nicht gerade billig.
Auswandern nach Ecuador: noch 20 Tage
Auswandern. Auswandern. Auswandern. Ich sage dieses Wort laut vor mich her, jedes Mal klingt es anders, jedes Mal dennoch genauso ungewohnt und angsteinflößend. Ich schließe innerlich einen Kompromiss. Ich nenne es ‚temporäres Auswandern’, ein vorübergehendes ‚nicht-in-Deutschland-Sein’. Dieser kleine Zusatz macht es weniger final, weniger endgültig, weniger unumstößlich.
Auswandern nach Ecuador: noch 11 Tage
Mein Zimmer fühlt sich merkwürdig leer an. Die Wände sind kahler, die Gegenstände sind weniger geworden. Dafür türmt sich mitten drin ein riesiger Berg an Rucksäcken und Klamotten. Ein einziges Durcheinander. Phase eins des Packens hat offensichtlich begonnen.
So oft wie möglich versuche ich nun, meine Großeltern zu besuchen. Die Zeit scheint mir zwischen den Fingern hindurch zu gleiten. Es ist einfach nicht genug Zeit, es reicht nicht, ich brauche mehr. Manche nennen mich vielleicht pessimistisch, aber wer weiß, ob ich meine Großeltern jemals wiedersehen werde. Kein schöner, aber mittlerweile leider ein durchaus realistischer Gedanke.
Auswandern nach Ecuador: noch 5 Tage
Heute schmeiße ich (mal wieder) eine große Abschiedsparty. Ich sehe fast alle meine Freunde noch ein letztes Mal. Wir essen, quatschen, lachen, tanzen, machen Fotos und schwelgen in Erinnerungen. Vielleicht hätte ich vorher mal wasserfeste Wimperntusche kaufen sollen.
Auswandern nach Ecuador: noch 3 Tage
Verzweifelt und Haare raufend stehe ich vor dem wilden Durcheinander in meinem Zimmer. Mein Blick wandert zwischen den Rucksäcken und dem Kleiderhaufen hin und her. Wer von beiden wird gewinnen?
Wie soll nur jemals ein ganzes Leben in einen einzigen Backpack passen?!
Auswandern nach Ecuador: noch 2 Tage
Es passt nicht, habe ich festgestellt. Also muss wohl noch ein kleiner Koffer her. Der Kleiderhaufen hat – wie leider zu erwarten – gewonnen und ist trotz beharrlichem Einreden nicht auf mysteriöse Art und Weise von alleine geschrumpft.
Mit meiner Freundin ist alles abgesprochen, sie fährt mich am Abreisetag morgens zum Flughafen. Meine Eltern habe ich gar nicht gefragt, ich weiß, dass meine Mutter Flughäfen nicht mehr mag. Für sie bedeuten sie Abschied und Schmerz, sie rufen jedes Mal erneut die Erinnerungen hoch, wie sie ihre Kinder schweren Herzens gehen lassen muss. Ich erspare es ihr, eine weitere traurige Erinnerung zu ihrer Sammlung hinzufügen zu müssen.
Ich schaue auf die Uhr. Schon wieder dunkel, schon wieder abends. Was ist bloß mit der Zeit los? Seit wann vergehen die Stunden so schnell?
Auswandern nach Ecuador: noch 1 Tag
Oh je. Oh je, oh je, oh je. Was ist, wenn mit dem Ticket etwas nicht stimmt? Wenn sie mich nicht einchecken lassen? Wenn ich doch viel zu viel Gepäck dabei habe? Werden mich meine Freunde nach und nach vergessen, nun, da uns tausende von Kilometern trennen? Was zur Hölle mache ich hier bloß?!
Die Gedanken in meinem Kopf überschlagen sich, die Ängste, die ich seit Wochen gewissenhaft unterdrücke kommen langsam aber sicher hoch. Reiß’ dich gefälligst zusammen, sage ich mir. Wie oft durftest du schon nicht mitfliegen? Wie oft hattest du schon zu viele Gepäckstücke? Wie oft hat mit deinem Ticket schon ein mal etwas nicht gestimmt? Seit wie vielen Jahren hält sich der Kontakt zu deinen Freunden ohne Probleme? Siehst du, alles gut, alles easy. Tief einatmen und entspannen.
Auswandern nach Ecuador: noch 0 Tage
Aaaaaaaaah … auf los geht’s los, wir sehen uns in Ecuador!
Lust auf Ecuador bekommen? Mehr Tipps findest du hier:
7 Tipps für unvergessliche Ecuador Abenteuer
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DIE GASTAUTORIN:
Hallo, ich bin Linda. Geboren und aufgewachsen bin ich im wunderschönen Würzburg in Unterfranken. Da es auf der Welt jedoch noch viele andere wunderschöne Orte gibt, zieht es mich oft – öfter, als meiner Familie oder meinen Freunden lieb ist – weit weg. Nachdem ich mein Medienkommunikationsstudium abgeschlossen hatte, habe ich also erneut meinen Backpack, meinen besten Freund, gepackt und Deutschland vorerst den Rücken gekehrt. Gerade habe ich fünf Monate in Ecuador gelebt, doch meine nächste Station steht ebenfalls schon fest: Asien. Neben Fotografie, Nähen und Essen liebe ich es, auf meinen Reisen die verrücktesten und interessantesten Menschen kennenzulernen. Denn von jedem – egal wie verrückt – kann man etwas lernen, und das möchte ich mir nicht entgehen lassen!
5 comments
wow, ganz schön mutig, Respekt
Na, und wie geht es in Ecuador?
Ich gehe nächstes Jahr zum ersten und zum letzten Mal nach Ecuador!!!! Ich kann es nicht erwarten!! Ihr koennt mich in Malacatos finden!
Hallo Pia. Mein Name ist Werner und ich verlasse Deutschland am 23.08.19 für immer. Meinen daueraufenthalt hole ich mir am 19.08.19 in der Botschaft in Berlin ab. Wie ist es in malacatos. Wie ist die medizinische Versorgung und das kaufen von Lebensmitteln.
Ich bin auf der Suche nach einer Wohnung und kann 500 Dollar zahlen.
Kennst du einen Makler der mir behilflich ist. Vielen Dank und eine schöne Zeit. In